Wien-Neubau, an der Ecke Westbahnstraße: Ein bunter Laden mit Designprodukten aus individueller Ein-Personen-Hand. Das sogenannte "Neubau" ist ein typischer Pop-up-Store. Jung, urban, temporär. Schon seit längerem poppen die kleinen Shops weltweit auf, meist nur für ein paar Wochen und Monate, und manchmal nicht mehr als ein schick benannter Wochenendflohmarkt in der angemieteten Lagerhalle.

 

Der Eindruck täuscht leicht darüber hinweg, dass Pop-up-Stores inzwischen keine Randerscheinung einer alternativen Kommerzkultur sind. Längst haben die großen Brands das Potenzial des Konzepts entdeckt. Während Outlet-Center und Lagerabverkauf als Begriffe mehr an Resteverwertung und Grabbeltisch denken lassen, klingt das Label "Pop-up-Store" noch neu und frisch. Nicht zuletzt lassen sich durch die "Nur für kurze Zeit"-Exklusivität auch die Onlineshopper aus dem Haus und auf die Straße locken.

 

Kostengünstig

 

Der größte Vorteil beim Pop-up-Konzept ist die enorme Kostenersparnis. Denn wenn die Ware cool genug ist, kann die Pop-up-Immobilie auch eine Blechbüchse sein. Der Boxpark Shoreditch, der im Dezember 2011 in London eröffnete, ist das beste Beispiel dafür. Gerade zehn Wochen dauerte es, bis der Stapel aus 61 schwarzen Containern - Eigenwerbung "The world's first Pop-up Mall" - errichtet war. Die Gesamtnutzung war auf fünf Jahre angelegt.

 

2014 will man den nächsten Schritt wagen - und zur bargeldlosen Mall werden. Physisch greifbarer Verkaufsraum und mobile App werden dann immer mehr verschwimmen. Kleine unabhängige Händler können dergestalt ihre Ware auf mehreren Kanälen anbieten, und zwar ohne große Errichtungskosten.

 

Um loszulegen, brauche man nicht mehr als ein iPad, verkündete Box-Park-CEO Roger Wade. Für eine Shoppingmall dieser Art bedarf es eines Schiffscontainers und eines Stromanschlusses. Das reicht. Dass das 4,7 Hektar große ehemalige Bahnareal, auf dem die Container stehen, durch die frequenzstarke temporäre Mall an Wert gewonnen haben wird, wenn es demnächst bebaut wird, ist ein sicher nicht unbeabsichtigter Effekt der kommerziellen Zwischennutzung.

 

Pop-up-Trend auch in Wien

 

Zwar hinkt die Entwicklung hierzulande noch hinterher, doch bis die Container in Österreich landen, wird es vermutlich nicht mehr lange dauern. Zu diesem Schluss kommt eine im Jänner 2014 veröffentlichte Studie von EHL Immobilien. Darin werden Pop-up-Stores als Haupttrend des kommenden Jahres ausgemacht: Diese würden "langsam, aber sicher den Umsatz in den traditionellen Einzelhandelsstrukturen anknabbern". Genutzt würden dabei sowohl Flächen an etablierten Einkaufsstraßen als auch leerstehende Flächen, etwa in Baulücken und an Baustellen.

 

"Angebote für Kurzzeitmieter gab es schon immer, jetzt hat das Kind eben einen Namen", meint Jörg Bitzer, Head of Retail bei EHL. "Das Neue an den Pop-up-Stores ist, dass sich via Facebook und Twitter sehr kurzfristig neue, junge Kunden ansprechen lassen." Dies nutzen auch große Brands wie der japanische Textilriese Uniqlo, der vor der Eröffnung seines ersten Kaufhauses in Deutschland an vier Wochenenden temporäre Shops lancierte.

 

"Wie ein Zirkus"

 

Der Vorteil des billigen Auf- und Abbaus liegt auf der Hand. "Das sind Retailformate, die im Prinzip funktionieren wie ein Zirkus, der von Stadt zu Stadt zieht", sagt Bitzer. In Asien, wo sich fast alle größten Malls der Welt finden, gebe es schon Spezialisten für die Vermittlung von Retailern, die für eine Woche ihre Pop-up-Zelte aufschlagen. Wie die bisherigen Beispiele zeigen, nutzen das - kaum überraschend - vor allem Brands aus dem Modebereich. Bitzer: "Es muss schnelllebig sein. Für eine Waschmaschine wird man keinen Pop-up-Store eröffnen."

 

Damit diese Schnelllebigkeit funktioniert, gilt es, kurzfristig die geeigneten Flächen zu finden. Allein, selbst in Städten mit genügenden freien Flächen kann sich dies schwierig gestalten. Um die Suche zu erleichtern, gründeten zwei junge Amerikaner im März 2013 in San Francisco das Internetportal The Storefront, das verfügbare Räume für Pop-up-Stores auflistet - vom Lagerraum über das kleine Ecklokal bis hin zu Luxuslagen mit Monatsmieten von 300.000 Dollar.

 

"Das Airbnb des Shoppings"

 

Heute listet The Storefront jeweils mehr als 150 Angebote in San Francisco und New York. Man verstehe sich als das Airbnb des Shoppings, verlauteten die Gründer Tristan Pollock und Erik Eliason. Ebenso wie es etwa Airbnb gelungen ist, parallel zur Hotelbranche einen neuen Markt mit Privatunterkunftvermittlung zu erschließen, solle The Storefront dies parallel zur Immobilienwirtschaft tun. Inspiriert wurden die Endzwanziger durch die vielen leerstehenden Lokale in ihrer Heimatstadt Minneapolis. Der Erfolg des Webportals, das Anbieter und Interessenten ohne langwierige Umwege über Dritte zusammenbringt, beweist, wie ideal Pop-up-Stores mit Social Media und Internet zusammenpassen.

 

Leerstehende Ladenlokale gibt es auch in den Wiener Einkaufsstraßen reichlich. Ein Portal wie The Storefront, das den Leerstand zusammenfasst, fehlt jedoch. Bis die Pop-up-Stores hierzulande so populär werden, wird es noch dauern, sagt Jörg Bitzer. "Mittelfristig sehe ich dafür aber ein großes Potenzial." Geeignet dafür seien nicht nur klassische Einkaufsstraßen, sondern auch die Peripherie und die grüne Wiese. Schließlich hatte selbst das Outlet-Center Parndorf schon seinen eigenen Pop-up-Store. "Es ist gar nicht so wichtig, wo das ist", meint Bitzer. "Denn die Erreichbarkeit ist wichtiger als der Standort. Retail zieht seine eigene Kundschaft an."

 

Quelle: Maik Novotny, DER STANDARD, 8.2.2014