Die "Greet Vienna", der Nachfolger der eingegangenen "Real Vienna", lockte statt mit Messeständen mit Diskussionen, in denen viele Wünsche geäußert wurden

Wien – Innenstadt statt Messegelände, Vorträge statt Mietstände, Networking statt Termine: So könnte man das neue Alternativprogramm zur Real Vienna, zur zweitägigen Greet Vienna, zusammenfassen, die diese Woche am Mittwoch und Donnerstag im ­Palais Niederösterreich über die Bühne ging. "Greet" steht für "Global Real Estate and Economy Talks" und ist zwei Jahre nach dem Verschwinden der inter­nationalen Gewerbeimmobilienmesse, die es nicht geschafft hat, sich zu etablieren, als neuer Treffpunkt für Immobilieninvestoren im CEE- und SEE-Raum gedacht.

"Ziel war es, eine andere Kommunikationsplattform zu kreieren und nicht wieder nur ein Kongressformat anzubieten", meint Greet-Veranstalterin Sylvia Foissy. Zuvor war sie sieben Jahre lang für die Vorträge am Rande der Real Vienna verantwortlich. Nun hat sie ihr eigenes Ding kreiert und rund 280 internationale Besucher damit angelockt. "Ich hatte viele Kontakte von früher und bin mit dem jetzigen Vorhaben in der Immobilienbranche auf viel Gegenliebe gestoßen", so Foissy.

Gegen Mieten-Deckel

Unter anderem verschlug es den Geschäftsführer der Blauen Lagune, Erich Benischek, auf die Veranstaltung. "Ich begrüße die Initiative", freute sich der Fertighauszampano über die Gelegenheit, viele Geschäftspartner an einem Ort treffen zu können. Allerdings nicht, ohne auch der Real Vienna nachzutrauern: "Die Real Vienna war eine klassische Messe. Nun bin ich gespannt, wie sich die neue Vortragsveranstaltung entwickeln wird."

Als Kenner des russischen Wohnungsmarktes interessierte ihn vor allem der Vergleich mit den Wohnungsmärkten in Österreich, Deutschland sowie in Mittel- und Zentraleuropa. Dieser stand auch im Mittelpunkt der Diskussionen des ersten Veranstaltungstages. Dabei wurden freilich nicht so sehr die Gemeinsamkeiten zutage gefördert als vielmehr die Verschiedenheit der Ansätze zum Thema Wohnkosten.

Michael Ehlmaier von EHL Immobilien äußerte sich zur hierzulande vielfach diskutierten Mietzinsdeckelung, die auch schon beim kürzlich stattgefunden habenden STANDARD-Wohnsymposium Thema war: "Wenn wir die Mietkosten deckeln, geht enormes Wertsteigerungspotenzial verloren, und das wiederum würde Rückwirkungen auf die Angebotsmenge haben." Weniger Angebot am Wohnungsmarkt, so lautet sein Credo, hätte einen viel größeren Preisdruck zur Folge als eine aufgeschlüsselte Mietzinsgestaltung ohne Obergrenze, wie sie heute praktiziert wird.

Österreich liegt auf der Achse

Doch Wohnen, so wichtig das Thema auch sein mag, war auf der ersten Greet Vienna nur eine Randnotiz. Auch wenn aus dem Osten bereits neue, innovative Wohnkonzepte in den Markt drängen, so wie zum Beispiel der erste komplett barrierefreie Wohnkomplex in St. Petersburg, wie German Moyzhes vom russischen Immobilienentwickler Avers Group erklärte. Denn der eigentliche rote Faden, der sich durch die Veranstaltung zog, war nicht das eigene Dach über dem Kopf, sondern die wirtschaftliche Achse Deutschland–Österreich–CEE–SEE sowie die damit verbundenen Investmentpotenziale.

Die Hoffnungen sind mitunter enorm. Und so löste es bei manch heimischem Besucher Unbehagen aus, dass man den österreichischen Immobilien-Investmentmarkt just von einem rein deutsch besetzten Podium erklärt bekam.

Mitmischen auf fremden Märkten – so lautet das Motto der Stunde. Oder, um im Investorensprech zu bleiben: Der Immobilienstandort Österreich spielt im internationalen Kontext eine immer wichtigere Rolle. "Bei unserem Outlet Center Fonds performt das Outlet-Center Parndorf am besten von allen internationalen Zentren, die darin enthalten sind", meint etwa Stefan Wundrak, Leiter des britischen Unternehmens Henderson Global Investors. Österreich, so sein Fazit, sei ein lohnendes Zielgebiet für Investments.

"Charme" gegen Mietrechtsgesetz

Thomas Beyerle, Leiter der IVG Immobilien AG, widmet dem Standort Österreich seit neuestem sogar einen eigenen Marktreport: "Es braucht in Österreich einfach mehr Transparenz, um das Inter­esse der Investoren zu wecken." Immer noch schreckt das stark reglementierte österreichische Mietrechtsgesetz viele potenzielle Interessenten ab.

Dieser Meinung sind viele, längst aber nicht alle. Stefan Scholl, Leiter der Kauftransaktionen bei Deka Immobilien, die seit 20 Jahren aktiv sind und unter anderem das Wiener Hotel Meridien in Fondsbesitz haben, sah sich bisher auch ohne Transparenz und Marktreport auskommen: "Als Käufer handhabt man das hierzulande mit Charme."

Angst vor Mischnutzung

Charme spielt auch beim Dauerthema Mischnutzung, Infrastruktur und funktionelle Vielfalt eine Rolle. Denn ob ein Mischnutzungsprojekt am Markt reüssiert oder nicht, hängt vielfach von der Überzeugungskraft des Entwicklers ab. "Die Wahrheit ist, dass wir alle sehr oft und sehr gerne Mischnutzungen anbieten", sagt Hubert Wetschnig, Geschäftsführer der Porr AG, zuständig für den Bereich Infrastruktur. "Doch die Wahrheit ist auch, dass die meisten Mieter Angst haben und diese Mischnutzung nicht wollen."

Die Folgen sind vielfach bekannt und heißen TownTown, St. Marx, Donau-City und Wienerberg. Letztendlich sind sie in Gewerbegebieten und Fachmarktzentren jeder mittelgroßen Gemeinde zu finden. Um das Pro­blem dieser monofunktionalen Wüsten zu lösen, so Wetschnig, brauche es erstens mehr Vorstoß seitens der Politik und zweitens entsprechend stringentere Entwicklungskonzepte auf der Angebotsseite.

Bürohaus mit Windrädern

Dass es das alles jedenfalls nicht braucht, um einen Preis einzuheimsen (zumindest nicht aus heutiger Sicht), bewies die Verleihung zweier ÖGNI-Zertifikate, die im Rahmen der Greet Vienna stattfand. Ausgezeichnet wurden das Company Building 9 in Town-Town (fertiggestellt 2011, Gold-Zertifikat) sowie das "Smart Office", eine 27.000-Quadratmeter-Büroimmobilie der Hochtief Development Austria GmbH. Das Projekt aus der Feder von Ingenos Gobiet, das frühestens Mitte 2015 fertiggestellt werden soll, erhielt ein Vorzertifikat in Gold.

"Das Smart Office ist derzeit eines der ambitioniertesten Projekte am Markt", sagt ÖGNI-Präsident Philipp Kaufmann. "Es umfasst nicht nur Geothermie und Fotovoltaik, sondern auch Windräder auf dem Dach. Auf diese Weise könnte das Gebäude rund 50 Prozent seines Energiebedarfs selbst produzieren und wäre somit ein echtes, kleines Kraftwerk." Schon mehrere Vorreiter, dar­unter auch Michaela Reitterer vom Hotel Stadthalle, sind mit ihrer Windkraftvision an den Wiener Behördenwegen gescheitert. Jetzt kriegt die Zukunft eine weitere Chance.

Smart ist zweifelsohne auch das Vermarktungstool, das Hochtief für dieses Projekt entwickelt hat. Mittels Smartphone und Smart-Office-App kann man das kluge Bürohaus schon heute in 3-D betrachten. Einen Blick in die Kristallkugel wirft auch Greet-Vienna-Initiatorin Sylvia Foissy: Obwohl den Teilnehmern am zweiten Tag die Luft ausgegangen ist und am späten Nachmittag nur noch ein paar einsame Seelen durch das Palais Niederösterreich irrten: "Fürs Erste bin ich zufrieden. Fix ist: Nächstes Jahr machen wir weiter."

 

Ursprung: derStandard.at